Die Kunst des Verdrängens
  "Wenn man uns diesen Gott der Christen bewiese, wir würden ihn noch 
  weniger zu glauben wissen" Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900)
  Verdrängungskünstler. Allenthalben trifft man auf solche Menschen. Auch 
  ich gehörte einst zu dieser überwältigend großen Personengruppe. Wenn 
  wir es uns aber mal gestatten, den der Verdrängung zugrunde liegenden 
  Sachverhalt wirklich nüchtern zu betrachten, dann wird auf einmal sehr 
  schnell deutlich, wieviel hier wirklich auf dem Spiel steht. 
  Auf dem Friedhof ...
  Nachdem wir Hajo am Grab die letzte Ehre erwiesen hatten, war ich mit 
  Michel und ein paar anderen Freunden aus dem Club gerade auf dem Weg 
  zum Leichenschmaus. Am Ausgang des Friedhofs angekommen 
  philosophierten wir bereits, vom Tod unseres Kameraden immer noch 
  sichtlich berührt, über den Sinn des Lebens. Gedanklich bewegten wir uns 
  dann auch recht schnell auf die Ursprungsfrage zu. So fragte ich nun 
  Michel: "Du glaubst doch nicht wirklich an die populären Theorien zum 
  Ursprung? Gerade Du [anm.: auf seine berufliche Qualifikation 
  angesprochen] kennst doch auch die unlösbaren Widersprüche zwischen 
  den Theorien zu Urknall und  Evolution und den wirklich belastbaren Fakten 
  aus der Naturwissenschaft. Ganz besonders was die Gesetze der 
  Thermodynamik angeht?" . Michels offene Antwort erstaunte mich sehr: "Ja, 
  ja ich weiß ganz genau von was du redest und an dem Punkt war ich in 
  einer ruhigen Stunde auch schon mal.  Aber eine andere Erklärung als jene 
  vom Urknall und der Evolution macht mir ehrlich gesagt große Angst. Ich 
  möchte also bitte nicht weiter darüber reden."  Das angesprochene Thema 
  war zwar nun abrupt beendet, aber seine offene und ehrliche Antwort hat 
  mich nachhaltig beeindruckt.
  ... schneller Szenenwechsel: "Save the Planet! Rettet die Wale!"
  Immer wieder, ob bei Kaffee und Kuchen, beim Smalltalk oder beim 
  Austausch über politische Themen landet man auch gerne mal beim Thema 
  Umweltschutz. Das Thema ist mir persönlich nicht gerade unbekannt, war 
  ich doch über längere Zeit auch mal Fördermitglied bei Greenpeace und bin 
  natürlich auch heute noch gegen Umweltverschmutzung.  Und, wow, wie 
  viel emotionales, manchmal sogar explosiv ideologisches Potential dieses 
  Thema zwischenzeitlich in sich birgt. Wenn mein Gegenüber sich dann z.B. 
  in Sachen Naturschutz schon fast in Rage geredet hat, wenn es plötzlich 
  auch noch darum geht bloß keinen ökologisch bedenklichen Fußabdruck zu 
  hinterlassen, dann stelle ich in letzter Zeit einfach ganz ruhig folgende 
  Frage. "Du glaubst doch auch an die Evolution?". Meist bekomme ich dann 
  zur Antwort: "Ja klar, was denn sonst, wieso fragst Du?". Woraufhin ich 
  dann meist in etwa mit folgenden Worten fortfahre: "Dann verstehe ich 
  ehrlich gesagt nicht wirklich, warum du dich überhaupt  so ereiferst und 
  aufregst! Du glaubst doch selbst fest daran, dass die Entstehung der Natur 
  und des biologischen Leben nur auf rein zufälligen Vorgängen basiert. Aber 
  bekannterweise ist auf dieser Grundlage eine besondere Sinnbeimessung 
  doch nichts anderes als reine Illusion und substanzloses Wunschdenken. 
  Sollte morgen z.B. per Zufall ein großer Meteor alles Leben auf unserem 
  Planeten mit einem Schlag auslöschen, samt allen Tieren, Pflanzen und  
  tausenden von Jahren Menschheits- und Kulturgeschichte, dann gäbe es 
  auf Basis eines rein zufälligen Ursprungs doch absolut keinen trifftigen 
  Grund auch nur irgendetwas nachzutrauern - oder versteh ich das falsch? 
  Also, warum kämpfst Du dann so verbissen für etwas, das auf Basis des 
  Gesetzes von Zeit und Zufall überhaupt keinen besonderen Wert und 
  tieferen Sinn haben kann?". Meist verrät mir der geschockt sprachlose 
  Gesichtsausdruck meines Gegenübers, dass ich gerade die wohlgehütete 
  Barriere seines Verdrängens durchbrochen habe.
  ... und noch´n Szenenwechsel: "Gott ist tot!"
  Dieser sehr populäre Ausspruch stammt von dem deutschen Philosophen 
  Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900). Weniger bekannt mag folgender 
  Ausspruch von ihm sein: 
  "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum" 
  Für Nietzsche hatte Musik offensichtlich einen sehr großen immanenten und 
  sogar transzendenten Wert. Seine Aussage zur Musik ist deshalb so 
  bemerkenswert, da sie im Kerne auch einen sehr persönlichen Konflikt 
  Nietzsches offenlegt. Denn obwohl Nietzsche in grundlegenden Punkten 
  den Ausführungen Darwins sogar deutlich widersprach und dessen Theorie 
  in einigen Teilen sogar entschieden ablehnte, so lehnte er die Theorie von 
  einer evolutionären Entwicklung als solches aber nie ab. 
  Warum also war für Nietzsche "Leben ohne  Musik ein Irrtum"? Und wer 
  oder was soll sich da bitteschön geirrt haben? Der Zufall? Nun, der Zufall 
  kann sich definitiv nicht irren! Denn zufällige Prozesse  beabsichtigen 
  absolut nichts - sonst wären sie nämlich nicht zufällig. Die Annahme eines 
  Irrtums hingegen, setzt immer eine willentlich beabsichtigte Handlung 
  voraus. Der Zufall kann sich aber nicht irren, denn er verfügt weder über ein 
  Bewusstsein, noch über eine Absicht. 
  Nebenbei gesagt handelt es sich bei Nietzsches Konflikt um den gleichen 
  Konflikt, der nahezu auch jedem anderen atheistischen Philosophen seit der 
  Zeit der Aufklärung anhaftet: die im Nicht-Rationalen verortete Hoffnung zur 
  Beantwortung der Sinnfrage. Eines Sinnes und einer Bedeutung, welche 
  sich eben nie aus einer rein zufälligen Ursache gültig ableiten lässt.
  Was bleibt darauf hin nun noch festzustellen? Der Mensch verfügt 
  offensichtlich über ein nicht zu verleugnendes und tiefes Verlangen nach 
  Sinnerfüllung und Wertbeimessung - genauso wie dies auch bei Nietzsche 
  der Fall war. Und noch etwas: Der Mensch hat offensichtlich auch ein 
  Gewissen. Überlegungen also, welche sich in einem gedanklichem 
  Selbstgespräch sogar untereinander verklagen und entschuldigen können. 
  Was zweifelsfrei auch ebenso für alle atheistischen Philosophen zutrifft, die 
  sich diese unbestreitbare Tatsache aber nie widerspruchsfrei aus ihren 
  eigenen theoretischen Ansätzen ableiten konnten. Deshalb auch der 
  Konflikt und die Flucht in das Nicht-Rationale! Wer diese Feststellung nun 
  gerne bezweifeln möchte, wird aber in den ungeschönten Biographien eben 
  jener Philosphen eines Besseren belehrt. Denn entweder konnten sie den 
  Ansprüchen ihres eigenen Philosophiegebäudes in der persönlichen 
  Lebenspraxis nicht wirklich entsprechen und gaben letztlich sogar absolut 
  grundlegende eigene philosophische Positionen auf, oder sie starben im 
  Zustand tiefster Verzweiflung und Wahnsinns. Auch Nietzsche starb in 
  geistiger Umnachtung. Nur wenigen gelang eine Kehrtwende. So z.B. 
  Heinrich Heine (siehe: dessen Bekenntnis am Ende des Textes). 
  Der postmoderne Mensch verdrängt eine vorurteilsfreie Beschäftigung mit 
  der Ursprungsfrage also entweder vollständig, oder zumindest aber die 
  brutale Konsequenz aus einer auf dem Zufall basierenden 
  Ursprungsdeutung: nämlich die absolute Sinn- und Wertlosigkeit des 
  eigenen Seins. Die Freude an der Musik und an der  Natur, wird uns auf 
  unserem Lebensweg zwar die Last des Verdrängens für viele Stunden 
  leichter erscheinen lassen,  kann aber an der unbarmherzigen Konfrontation 
  mit dem Sterben und der bohrenden Sinnfrage im Angesicht des Todes 
  nicht das Geringste ändern. 
  Unseres Erachtens vermag diese Sinnfrage nur EINER befriedigend zu 
  beantworten:
  "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort 
  war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott.  Alles ist durch dasselbe 
  entstanden; und ohne dasselbe ist auch nicht eines entstanden, was 
  entstanden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der 
  Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis 
  vermochte es nicht zu unterdrücken." Evangelium nach Johannes 1,1-5 
  "So wahr ich lebe, spricht GOTT, der Herr: Ich habe kein Gefallen am 
  Tod des Gottlosen, sondern daran, dass der Gottlose umkehre von 
  seinem Weg und lebe! Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen! 
  Warum wollt ihr sterben? ..." Hesekiel 33,11
  "Er hat alles vortrefflich gemacht zu seiner Zeit, auch die Ewigkeit hat 
  er ihnen ins Herz gelegt ― nur dass der Mensch das Werk, das Gott 
  getan hat, nicht von Anfang bis zu Ende ergründen kann." Buch 
  Prediger 3,11
  "Wenn nämlich die aus den Nationen, welche das Gesetz nicht haben, 
  doch von Natur aus tun, was das Gesetz verlangt, so sind sie, die das 
  Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz, da sie ja beweisen, dass 
  das Werk des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist, was auch ihr 
  Gewissen bezeugt, dazu ihre Überlegungen, die sich untereinander 
  verklagen oder auch entschuldigen ― an dem Tag, da Gott das 
  Verborgene der Menschen durch Jesus Christus richten wird nach 
  meinem Evangelium" Römerbrief 2,14-16
  "Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle 
  Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit 
  durch die Ungerechtigkeit [des Betruges] unterdrücken,  weil das von 
  Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar 
  gemacht hat;  denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige 
  Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken 
  durch Nachdenken wahrgenommen, sodass sie keine Entschuldigung 
  haben.Denn obgleich sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als 
  Gott geehrt und ihm nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in 
  nichtigen Wahn verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde 
  verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden 
  und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit 
  einem Bild [o.a. Theorie], das dem vergänglichen Menschen, den 
  Vögeln und vierfüßigen und kriechenden Tieren gleicht. Darum hat sie 
  Gott auch dahingegeben in die Begierden ihrer Herzen, zur Unreinheit, 
  sodass sie ihre eigenen Leiber untereinander entehren, sie, welche die 
  Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschten und dem Geschöpf Ehre 
  und Gottesdienst erwiesen anstatt dem Schöpfer, der gelobt ist in 
  Ewigkeit. Amen" Römerbrief 1,18-25
  weitere Zitate:
  „Jedem tiefen Naturforscher muss eine Art religiöses Gefühl naheliegen, 
  weil er sich nicht vorzustellen vermag, dass die ungemein feinen 
  Zusammenhänge, die er erschaut, von ihm zum ersten Mal gedacht 
  werden. Im unbegreiflichen Weltall offenbart sich eine grenzenlose 
  Vernunft. Die gängige Meinung, ich sei Atheist, beruht auf einem großen 
  Irrtum. Wer sie aus meinen wissenschaftlichen Theorien herausliest, hat sie 
  kaum begriffen. Er hat sie kaum begriffen und erweist mir einen schlechten 
  Dienst […]“ „Ich glaube an einen persönlichen Gott und ich kann mit gutem 
  Gewissen sagen, dass ich niemals einer atheistischen Lebensanschauung 
  gehuldigt habe. Schon als junger Student lehnte ich den wissenschaftlichen 
  Standpunkt der achtziger Jahre ab, und ich betrachte  Darwins, Haeckels 
  und Huxleys Entwicklungslehren als hoffnungslos veraltet“
  Quelle: Muschalak, „Gottesbekenntnisse moderner Naturwissenschaftler“, 4. Auflage 1964, 
  Morus, Berlin, S.29
  "Nicht Gott ist relativ, und nicht das Sein, sondern unser Denken."
  "Gott würfelt nicht. Vielmehr hat Er die Welt nach einem ordentlichen Plan 
  geschaffen, den zu finden Aufgabe der Wissenschaftler ist."
  „Obwohl ich nun ein alter Knochen bin, bin ich noch fest bei der Arbeit und 
  glaube immer noch nicht, dass Gott würfelt.“
  Quelle: Auszug aus einem Brief an Ilse Rosenthal-Schneider im Jahre  1945
  Albert Einstein (1879-1955), deutscher Physiker, Begründer der Relativitätstheorie, 
  Nobelpreisträger 1921 
  „... Wenn man auf dem Sterbebette liegt, wird man sehr empfindsam und 
  weichselig, und möchte Frieden machen mit Gott und der Welt.  ...  
  Gedichte, die nur halbweg Anzüglichkeiten gegen den lieben Gott selbst 
  enthielten, habe ich mit ängstlichstem Eifer den Flammen überliefert. Es ist 
  besser, daß die Verse brennen, als der Versifex. Ja, wie mit der Creatur, 
  habe ich auch mit dem Schöpfer Frieden gemacht, zum größten Ärgerniß 
  meiner aufgeklärten Freunde, die mir Vorwürfe machten über dieses 
  Zurückfallen in den 'alten Aberglauben', wie sie meine Heimkehr zu Gott zu 
  nennen beliebten. Andere, in ihrer Intoleranz, äußerten sich noch herber. 
  Der gesammte hohe Clerus des Atheismus hat sein Anathema über mich 
  ausgesprochen, und es gibt fanatische Pfaffen des Unglaubens, die mich 
  gerne auf die Folter spannten, damit ich meine Ketzereien bekenne. Zum 
  Glück stehen ihnen keine andern Folterinstrumente zu Gebote als ihre 
  Schriften. Aber ich will auch ohne Tortur alles bekennen. Ja, ich bin 
  zurückgekehrt zu Gott, wie der verlorene Sohn(*), nachdem ich lange Zeit 
  bei den Hegelianern die Schweine gehütet. War es die Misère, die mich 
  zurücktrieb? Vielleicht ein minder miserabler Grund. Das himmlisches 
  Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, 
  über die schwindlichsten Bergpfade der Dialektik. Auf meinem Wege fand 
  ich den Gott der Pantheisten, aber ich konnte ihn nicht gebrauchen. Dies 
  arme träumerische Wesen ist mit der Welt verwebt und verwachsen, 
  gleichsam in ihr eingekerkert, und gähnt dich an, willenlos und ohnmächtig. 
  Um einen Willen zu haben, muß man eine Person sein, und, um ihn zu 
  manifestiren, muß man die Ellbogen frei haben. Wenn man nun einen Gott 
  begehrt, der zu helfen vermag – und das ist doch die Hauptsache – so muß 
  man auch seine Persönlichkeit, seine Außerweltlichkeit und seine heiligen 
  Attribute, die Allgüte, die Allweisheit, die Allgerechtigkeit u. s. w. annehmen. 
  ...  In der Theologie muss ich mich des Rückschreitens  beschuldigen,  
  indem  ich  zu  einem persönlichen Gott zurück kehrte. ...“ 
  Heinrich Heine (1797-1856), Ausschnitte aus dem Nachwort zu seinem 1851 
  erschienen Gedichtband 'Romancero'; (*) Heines Bezugnahme zum Gleichnis 'vom 
  verlorenen Sohn' aus dem Lukas-Evangelium Kapitel 15 Verse 11-32